Vielseitig und facettenreich präsentierten die vier Kurse Darstellendes Spiel der Qualifikationsphase zwei ihre Produktionen des aktuellen Schuljahres. Für ihre Aufführungen hatten sie sich mit tiefgründigen Themen beschäftigt. Während der Kurs von Simon Aulepp sich mit Hierarchien auf hoher See auseinandersetzte („Person über Bord“), zeigten die beiden Kurse von Ede Müller zum einen ihre Gedanken zum Thema Tod und den Umgang damit („un(d)endlich tot“), zum anderen, inwiefern man sich in den unterschiedlichsten sozialen und gesellschaftlichen Kontexten verhalten sollte und ob es immer einen „Notausgang“ gibt. Der Kurs von Jörg Geßner griff dagegen die Diskussion der letzen „documenta“ auf und stellte auf der Grundlage des Dramas „Andorra“ von Max Frisch die Frage, wie wir mit Semitismus bzw. Antisemitismus in unserer Gesellschaft umgehen sollten („Angewandter Antisemitismus“).
Lesen Sie im Folgenden die Rezension der HNA zu den Aufführungen am Dienstag, 23.5.2023:
Von der hohen See ins Grab
Jacob-Grimm-Schüler treten mit tiefgründigen Stücken im Schultheaterzentrum UK 14 auf
Von Bettina Wienecke
Kassel – Erst stehen die Schüler des Kurses „Darstellendes Spiel“ (DS) von Simon Aulepp mit ihren Koffern und Seesäcken am Rande der Bühne des voll besetzten Schultheaterzentrums UK14. Dann lassen sie sich fallen und kraulen förmlich aufeinander zu – mitten in ihr maritimes Thema „Person über Bord“ hinein – mit Studien zur Hierarchie auf hoher See. Die Spielstätte in der Unteren Karlsstraße 14 öffnete am Dienstag und öffnet heute ihre Türen für insgesamt vier Kurse der Jacob-Grimm-Schule. Die Schüler der Qualifikationsphase 2 präsentieren ihre aktuellen Arbeiten.
„Jede Innovation geht auf eine Katastrophe zurück“, sagen die Schiffbrüchigen und laufen blitzschnell wieder auseinander. Auf eine Seenot folgt die nächste. So geht der Besitz der Mannschaft und nicht das schwere Gold der Eigner über Bord. Jeder hat Gründe und Ausreden, warum ausgerechnet er nicht geopfert werden darf. Doch immer wieder muss jemand gefunden werden, der über die Planke geht. „Person über Bord“ wird als stille Post geflüstert.
Anschließend beschäftigte sich der DS-Kurs von Ede Müller im Stück „un(d)endlich tot: Nur der Tod ist gewiss im Leben“ mit dem Sterben, mit Formen der Trauer und dem Umgang damit. „Kommt danach noch etwas?“, wollen die Schüler wissen. Zumindest wohl der Schmerz und Verlust der Hinterbliebenen. „Hilft uns das weiter, wenn es soweit ist?“, fragen sie sich, und zeigen die Art zu trauern auch in Szenen, die teilweise skurril sind. Besonders berührend war dann, als nach einer symbolischen Beerdigung jeder von ihnen davon sprach, wie er einmal sterben möchte. Für die beiden tiefgründigen Stücke gab es begeisterten Applaus.
HNA, 25.5.2023
Einführungstext sowie Fotostrecke zu den Aufführungen: Annabelle Weyer